09.06.2023 14:21

zuletzt geändert am 14.05.2023

China ist eine Diktatur und bekämpft die Demokratie. China steht im Wettstreit mit dem Westen um die Führungsrolle in der Welt. Wie stehen die Chancen, dass China zur Weltmacht Nummer eins wird? Die Chancen stehen gut, sogar sehr gut, weil China eine Diktatur ist. Alle anderen Feststellungen, China wäre keine Diktatur, zeugen von Realitätsverlust und die Verharmlosung dieser Tatsache ist gefährlich. Wem Tatsachen fehlen, der sollte sich die Verfassung der Volksrepublik China etwas zu Gemüt führen und den Artikeln 1, 7, 13, 16, 18 und 71 besondere Beachtung schenken. Nicht nur, aber sie belegen den allumfassenden Machtanspruch der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Solche Machtfülle hat Konsequenzen.

Dazu betrachte man in einem sehr einfachen Beispiel den Wettstreit zweier Teams. Team Rot wird von einem unangefochtenen Führer geleitet, dem der überwiegende Teil der Mannschaft begeistert folgt und der Rest auf keinem Fall zu widersprechen wagt. Der Führer im Team Grün wird wohl größtenteils anerkannt, muss sich aber in hohem Maße mit gegenteiligen Meinungen und Ideen auseinandersetzen, ehe es zu einem Konsens kommt. Beide Teams bekommen dieselbe Aufgabe mit demselben Ziel gestellt. Welches Team wird wohl das Ziel als erstes erreichen?

Man könnte nun einwenden, Team Rot habe verschiedene Handicaps zu tragen, während das durchtrainierte Team Grün für Höchstleistungen geradezu prädestiniert sei, und daher das Ziel als erstes erreichen würde. Tatsächlich?

Team Rot – China

Schleppt China so viele Handicaps mit sich, dass es im Wettkampf mit Team Grün – dem Westen – zweiter Sieger bleibt? Die Frage soll im Laufe beantwortet werden. Zuerst soll der Blick auf die Stärken von Team Rot fallen.

1. Die Diktatur in China

Seit Xi Jinping regiert, wird Chinas Politik gegen jedweden Widerspruch durchgesetzt. Es gibt keine unproduktiven, zeitraubenden, Kompromisse schließenden Diskussionen und Abstimmungen. Es wird gehandelt und durchgesetzt. Dabei nimmt Xi Jinping keine Allwissenheit für sich in Anspruch, sondern die geballte Intelligenz kommunistischer Elitekräfte und fokussiert sie auf das eine Ziel: Weltmacht!

Die Diktatur kennt kein Erbarmen. Ob in Tibet, bei den Uiguren oder Opponenten. Wer sich der Diktatur nicht beugt oder mit ihr konform geht, wird eliminiert. Es macht nicht den geringsten Sinn, darüber nach westlichen Grundsätzen zu jammern. Entweder man boykottiert China – und welche Ökonomie zeigt solch hehre Stärke? – oder man verdrängt das Unrecht und macht gute Geschäfte. Das ist die bittere Wahrheit. Präsident Xi Jinping distanziert sich klar von westlichen Ideen wie konstitutioneller Demokratie, Zivilgesellschaft oder Menschenrechten.

Zu glauben, man könne in der Zusammenarbeit mit China Menschenrechte mit Wirtschaftsbeziehungen verknüpfen, ist pure Illusion. Man könnte keine Olympiade in China abhalten. Das schon, aber der Mammon zählt bei den Herren im IOC deutlich mehr als das Leid der Uiguren.

China wird sich keinen Deut um die Befindlichkeiten westlicher Demokratien scheren, sondern seine autoritäre Macht zur Erreichung seiner Ziele uneingeschränkt einsetzen. Siehe Hongkong. Und wann wird Taiwan folgen? Siehe hierzu wieder einen Eintrag aus der Präambel der Verfassung: „Taiwan ist ein Teil des geheiligten Territoriums der Volksrepublik China. Es ist die heilige Pflicht des ganzen chinesischen Volkes, einschließlich der Landsleute in Taiwan, die große Aufgabe der Wiedervereinigung des Vaterlandes zu vollbringen.“ Fragt sich nur noch, wann und wie?

2. Die Strategie von China

Es gibt kein anderes Land, das eine so ausgefeilte Strategie zur Erreichung seines Zieles besitzt, wie China. Und damit wird der Grundstein gelegt, wie China Weltpolitik formt und wie das Ziel erreicht werden soll und kann, China zur Weltmacht Nummer eins zu machen. Beim 100. Jahrestag der Gründung der KPCh hat der chinesische Staatschef Xi Jinping den Aufstieg der Volksrepublik zur Weltmacht als unumkehrbar bezeichnet. Und er meinte damit keine Weltmacht im zweiten oder dritten Rang. China will unumkehrbar an die Weltspitze! Das politische Modell seines Landes, sagte Xi Jinping auf einem Parteitag, sei „eine große Schöpfung“ und ein Modell für andere Staaten: „Unsere chinesische Zivilisation erstrahlt in dauerhafter Pracht und Herrlichkeit.

Mit welcher Strategie soll das geschehen? – Mit Konnektivitätspolitik!

Das Grundthema dieser Strategie heißt nicht, die Welt zu erobern, sondern den Rest der Welt an die chinesische anzupassen. Diese Strategie ist uralt und wurde bis heute von allen mächtigen Körperschaften angewandt. Sie zielt darauf ab, die Normen, die Spielregeln, die Gewohnheiten, das Meinungsbild und die Handlungsweisen so zu beeinflussen und zu gestalten, wie man alles selbst pflegt und haben will. Beispiel: Google verwendet seine Marktmacht, um die Architektur seines Browsers durchzusetzen und damit andere zur Gleichschaltung zu zwingen oder aus dem Markt zu drängen. Andere müssen sich beugen. Um sein Ziel zu erreichen, unterbreitet China der internationalen Gemeinschaft immer häufiger eigene Vorschläge und Lösungsansätze, die nach und nach zur Gefolgschaft und Verbreiterung chinesischer Anschauungen/Prinzipien/Sichtweisen führen. Die Welt wird chinesischer. China setzt neue Standards.

Die neue Seidenstraße oder The Belt and Road Initiative (BRI)

China verfolgt in seiner Strategie eine globale Konnektivitätspolitik und strebt eine räumliche Neuordnung der Welt an, wie dies mit dem Megaprojekt „Neue Seidenstraße“ geschieht – heute „Belt and Road Initiative (BRI)“ genannt. Man braucht sich nur die Investitionen Chinas in Afrika, Athen, Serbien, Thailand, etc. etc. vor Augen zu führen, um zu begreifen, wie China seine Fangarme ausstreckt und die Raumordnung dieser Welt beeinflusst und verändert.

China, The Belt and Road initiative
The Belt and Road initiative.
China in red. Members of the Asian Infrastructure Investment Bank in orange, by Lommes – Own work, CC BY-SA 4.0

BRI steht für eine Verknüpfung von räumlichen Strukturen durch den Aufbau von Wirtschaftskorridoren, Handelsknotenpunkten, Wirtschaftszonen und digitalen Systemen in einem riesigen Netzwerk auf dieser Welt in den Ländern dieser Welt. Zu dem Netzwerk zählen das 5G-Netz, Satellitennavigation, online-Shops, Bezahlsysteme u.a.m., um die Funktionalität des Handels zu gewährleisten. Das Geld kommt zu nicht geringem Teil aus der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB – „We enable clients to build Infrastructure for Tomorrow“), der mit 105 stimmberechtigten Mitgliedern die Länder der halben Welt angehören. Die Bank wurde 2014 auf Vorschlag Chinas in Peking gegründet und verfügt über ein Bilanzvolumen von 40 Milliarden USD. In den ersten neun Monaten 2021 wurden 11 Milliarden investiert. – Ein exzellentes Beispiel für Konnektivitätspolitik und Andocken auf dem Weg zur Weltmacht Nummer eins.

Eingebettet ist diese Anpassungsstrategie in zwei zentrale Taktiken: Andocken und Diskursmacht.

Andocken und Diskursmacht.

Mit Andocken ist nicht gemeint, dass China bei anderen Staaten/Systemen/politischen Meinungen andocken will, sondern genau das Gegenteil. China will verlocken und Angebote unterbreiten, die andere zum Andocken an dem chinesischen Modell führen sollen. Alle Auslandsinvestitionen, bei denen China kaum auf Verzinsung achtet, sind dazu ausgelegt, dass die Investitionsnehmer andocken sollen; andocken an China in einer Form, die mehr Kompatibilität mit dem chinesischen kommunistischen Modell erzeugen soll.

Mit der Diskursmacht wird darauf abgezielt, den Sprachgebrauch und angewandte Formulierungen derart zu beeinflussen, dass sie eine neue Bedeutung erhalten, die selbstverständlich mit dem kommunistischen System verträglicher oder gar einvernehmlich ist. „Peking drängt darauf, mithilfe seiner eigenen Ideen und durch ein proaktiveres Auftreten internationale Organisationen inhaltlich zu rekonfigurieren und gleichzeitig neue Institutionen, Mechanismen und Wege zu etablieren, um die Welt an China zu binden.“ (Quelle: Wie China Weltpolitik formt.)

3. Das Vakuum im Westen

Dieser ausgefeilten und zentralisierten Strategie Chinas steht ein Westen gegenüber, der außer seinem demokratischen Bewusstsein dem nichts entgegenzusetzen hat. Der Westen hat keine Strategie, er hat keine Einigkeit, sondern ist in Egoismen verzettelt. Mehr muss man nicht aufzeigen, um das Kräfteungleichgewicht deutlich zu machen und zu erkennen, dass Chinas Strategie fast in eine Zone des Vakuums stößt.

Wenn der Westen nicht auf dem Absatz kehrt macht und die USA und Europa sich nicht mit ihren Partnern „in null Komma nix“ zu einer kraftvollen Allianz vereinen, ist der Ausgang des Wettstreits der Systeme eindeutig vorhersehbar. China wird unumkehrbar an die Weltspitze gelangen und zur Weltmacht Nummer eins werden! Xi Jinping behält Recht.

Es ist traurig, dass es erst Putins Überfall auf die Ukraine und den Krieg brauchte, um die NATO-Länder zu größerer Einigkeit zu führen. Ob aber äußerer Druck das aprobate Mittel ist, um den Westen zu einer dauerhaften strategischen Allianz zu führen, muss bezweifelt werden.

4. Die Risiken Chinas

China kann nur noch über die eigenen Beine stolpern. Und China hat eine Menge von Problemen am Hals, deretwegen die ganze Strategie doch noch scheitern könnte. Zu den Problemen zählen: Abhängigkeit von Importgütern, Unterliegen im technologischen Wettstreit mit den westlichen Eliten, der Graben zwischen ländlicher Armut und urbanem Reichtum in China, Bewahrung des sozialen Friedens für die gigantischen 1,4 Milliarden Menschen im Land, Unterdrückung, Überwachung, Kontrolle und Zensur, Korruption, Umweltverschmutzung, die massive Industrialisierung im Niedrigtechnologiesektor, die extreme Urbanisierung (60% bis später 70% Städter), die hohe Verschuldung, Immobilienblase, Umweltschäden aus sich verschärfender Klimakrise, Wasserknappheit, Kinderpolitik, Missachtung der Menschenrechte, potenzieller Krieg im Südchinesischen Meer.

Die Liste ist lang genug, um China scheitern zu lassen. Darauf sollte der Westen allerdings nicht vertrauen.

Team Grün – der Westen

Nach dem Gesagten sind zum Team Grün nicht mehr viele Worte zu verlieren. Technologisch und leistungsmäßig kann der Westen sicherlich im Wettbewerb mit China bestehen. Aber die Stärken des Westens gehen in seiner politischen Zersplitterung verloren. Die Europäische Union ist das Paradebeispiel für das Versagen der westlichen Demokratien. Es kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, dass es zur friedensstiftenden Einheit der EU kam. Es muss grenzenlos verdammt werden, dass sich die Länder der EU in ihren Partikularinteressen verlieren und zu einen zahnlosen Tiger in der internationalen Politik dastellen. So lange jeder Staat sein eigenes Süppchen kocht, kann die EU kein Machtfaktor sein.

Und so lange die USA mit sich selbst im Streit zwischen Republikanern und Demokraten liegen und „Führer“ wie Donald Trump oder – unter ganz anderen Perspektiven zwar – wie Joe Biden hervorbringen, bleibt jeder Ruf und jede Ambition nach einem starken, in strategischen Grundsätzen fest geeinten Westen leerer Wahn.

Mehr ist bedauerlicherweise an Analyse über den Westen nicht notwendig, um wieder zu dem Punkt zu gelangen: Xi Jinping wird Recht behalten.

Schlussfolgerung und Konsequenzen einer chinesischen Machtübernahme

Kann China seine Politik weiter so steuern wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten und die Risiken ausbalancieren, so wird China in einigen Jahren die Weltmacht Nummer eins sein. Daran kann nicht der geringste Zweifel bestehen.

Das Folgende ist eine Einschätzung der künftigen Entwicklung, die auch ganz anders verlaufen kann. Der Blick in die Zukunft ist stets ein ungewisser. Von ausschlaggebender Bedeutung dürften die folgenden Schwerpunkte sein.

Technologie

Es gibt keinen Zweifel daran, dass China technologisch zur Weltspitze zählen will. Seine Ziele in Forschung und Wissenschaft werden in Fünf-Jahres-Plänen (FJP) festgelegt. Im 14. FJP für die Zeit von 2021 bis 2025 soll die Forschung konzentriert werden auf die Zukunftsgebiete Quanteninformatik, Photonen- und Mikronano-Elektronik, künstliche Intelligenz, Biomedizin und innovative Energiesysteme. Hinzu kommt Forschung auf „konventionellen“ Gebieten über Hochgeschwindigkeitszüge, Flugzeuge, Robotik, neue Antriebe, Raumfahrt und Landwirtschaftsmaschinen. Interessant ist der Umstand, dass Chinas Grundlagenforschung nur 6% seines BIP betrug, im 14. FJP zwar auf 8% steigen soll, aber damit immer noch deutlich hinter den 15% in entwickelten Ländern liegt (Quelle: China’s plan to become a world-leading technology force).

Die gute Nachricht: der Westen liegt in Grundlagenforschung voran. Die schlechte Nachricht: China hat es trotz geringerer Forschungsinvestitionen dazu gebracht, mit dem Westen bereits fast gleich zu ziehen. Das heißt, der Wettkampf wird in vollem Umfang voranschreiten und für beide Seiten bestehen gute Chancen zu reüssieren. Es ist demzufolge absehbar, dass es keine überwältigende Dominanz der einen oder anderen Seite geben dürfte, sondern ein Patchwork an Technologiefeldern, in dem die eine oder die andere Seite führend sein wird, ohne dass es zur Unterlegenheit einer Seite auf breiter Front kommen wird.

Totale Überwachung in China

Überwachung erfolgt durch audiovisuelle Techniken und durch das Internet. Das Abhören von Telefonaten, die Aufnahme von Videos im öffentlichen Raum und die Spurenverfolgung aller Internetbesuche zählen zu den fundamentalen Techniken, um eine Gesellschaft so gut wie vollständig auszuspähen. Zählt man die Installationen im „smart home“ hinzu, steht der totalen Überwachung nichts mehr im Wege.

China wird – wie das Social Credit System es zum Teil bereits offenbart – alles unternehmen, um seine Bürger rundum zu überwachen. Dazu wird China alle bereits gängigen Techniken zur Spurenverfolgung im Internet weiter ausbauen und ein perfektes Verhaltensmuster von jedem Staatsbürger haben, der ein digitales Endgerät benutzt. Und das werden jeden Tag immer mehr.

Wer sich konform verhält oder sogar „Gutes tut“, der wird in diesem Überwachungssystem belohnt werden und gleich gut leben wie Bürger im Westen. Es gibt gute Jobs, ordentliche Wohnungen, Chancen zum Vermögensaufbau, Reisefreiheit und andere Vorteile. Wer solches erlebt, wird sich in China so lange nicht unwohl fühlen (müssen), so lange er die Allmacht des Staates akzeptiert, die Armut andernorts ignoriert und vor den Menschenrechtsverletzungen sein Auge verbirgt. Schlicht, wenn er sich so wie sein (nicht protestierender) westlicher Kollege verhält, lebt er gut.

Wer gegen die Partei aufmuckt oder wer nicht in das Beuteschema der Partei passt, der erfährt Unterdrückung und Schlimmeres. Das schlimmste Verbrechen stellt die Unterdrückung der Uiguren dar, die mit brutalsten Mitteln den Chinesen gleichgeschaltet werden sollen. Ihre Identität wird einfach ausgelöscht. Solches kennt die Menschheit seit Jahrtausenden, weil die nicht Betroffenen wegschauen.

Finanzwesen

Es wird viel darüber spekuliert, wie groß die Risiken für Chinas Wachstum im Rahmen der Staatsfinanzen sind. China fährt sicher einen heißen Reifen, der nach westlichen Maßstäben und Finanzregeln, extrem riskant zu sein scheint oder auch ist. Da vermutlich niemand in der Lage ist, die tatsächlichen Gegebenheiten einzusehen, sollte eine einfache Überlegung im Vordergrund stehen. Eine Diktatur wird nie zulassen, dass die Gesetze westlicher Finanzökonomie zu einem Kollaps führen. Es sollte niemand daran zweifeln, dass die Staatsbank im Notfall jede Schutzaktion wider jede westliche Finanzlehre und Bilanzierungsrichtlinien durchzieht, um das Schiff der KPCh gegen jeden Sturm und Untergang dicht zu machen.

Man muss nur auf den Fall Evergrande schauen. Die, die am meisten bei einer Insolvenz zu leiden hätten, wären die ausländischen Investoren. Die chinesische Staatsbank wird alle Maßnahmen ergreifen, die internen Turbulenzen im Griff zu behalten.

Wohlstand in China

Auch die KPCh hat dem Gesetz der Zufriedenheit ihrer Bürger Rechnung zu zollen. Unter den Intellektuellen sind es die Kritischen, in der Unterschicht sind es die Armen, die die Partei befrieden muss, um nicht eines Tages den Aufstand zu erleben. Aber die chinesische Regierung hat in den vergangenen Jahrzehnten extreme Fortschritte gemacht, die Armut zu bekämpfen. Folgt man den Daten der Weltbank, so lebt kaum noch jemand in China unter der Armutsgrenze von 1,90 $/Tag. Trotz dieses Erfolgs herrschen immer noch große Einkommensunterschiede. Premier Li Keqiang hielt fest, dass immer noch 600 Millionen Chinesen weniger als 5 $/Tag verdienen und sich kein Zimmer in einer Stadt leisten können.

Es kommt auch in China darauf an, die Arm-Reich-Schere zu verringern, wenn daraus kein Pulverfass entstehen soll. Die Risiken erscheinen allerdings als eher gering, so dass China auf seinem Weg, den Bürgern zu größerem Wohlstand zu verhelfen, erfolgreich bleiben dürfte. Dieser Umstand dürfte die stabilste Grundlage liefern, dass die Mehrheit der Chinesen weiterhin behaupten wird, in einer Demokratie zu leben und den Überwachungsstaat mehr als ein Zeichen digitalen Fortschritts denn als Einschränkung persönlicher Rechte empfindet. Man darf nicht verkennen, dass Chinesen von westlicher Demokratie zum Großteil keine Ahnung haben. Rechte und Möglichkeiten zu Propagandafeldzügen und Demonstrationen (wie z.B. europaweit während der Corona-Krise oder vorübergehend in Hong Kong) sind ihnen keine eigene Erfahrung. Sie sind es gewohnt, staatlichen Dirigismus zu erleben und zu befolgen.

China, größter Umweltverschmutzer

Eines der größten Probleme Chinas stellt jetzt schon die Umweltbelastung dar. China kann die Schäden aus der Umweltbelastung so gut wie sicher nicht beherrschen, wenn das Wirtschaftswachstum darunter nicht dramatisch leiden sollte. Dieser Spagat ist nicht leistbar. Insofern werden die Probleme zunehmen und niemand weiß, welche Zustände daraus in ein paar Jahren resultieren werden und möglicherweise sogar allen Fortschritt und alle Fünf-Jahres-Pläne Makulatur werden lassen. Diese Geschichte ist nicht vorhersehbar.

Südchinesisches Meer

Bleibt als eine der letzten großen Fragen die zukünftige Entwicklung im Südchinesischen Meer. Der Anspruch der KPCh ist eindeutig: man will dort die Herrschaft. Es bleibt die Frage offen, ob man die Ziele mit großer Geduld und diplomatischem Geschick verfolgen wird, oder ob es zu Gewalt und Krieg kommen wird.

Die westliche Welt

Viele westliche Analysen über China enden oft im Tenor, dass man in China zwar einen starken Gegner sieht, aber meint, genügend Widerstandskraft zu haben, wenn man nur dies und jenes unternähme. Es liegt das Übel aber gerade im Dies und in Jenem, das man nicht exakt zu benennen weiß und das zu der allgemeinen Orientierungslosigkeit und der Schwäche des Westens führt.

Die westliche Welt muss sich wohl nicht vor einer Eroberung durch China fürchten, aber sie müsste längst erkennen, wie wichtig eine geschlossene Strategie wäre, um mit China auf Augenhöhe im Wettstreit bestehen zu können. Von solcher Strategie ist trotz verschiedenster Initiativen, politischer Bekundungen und Think Tanks, derzeit nichts zu sehen. Bleibt es so, wird die Konnektivitätspolitik Chinas im Laufe der Jahre in einem schleichenden Prozess zu einer Assimilierung des Westens an chinesische Regeln führen. Europäer und Amerikaner werden weiter als Europäer und Amerikaner unter ihren Regierungen in ihren Ländern leben, aber möglicherweise ist z.B. Datenschutz dann aus dem Regelwerk verschwunden und an seine Stelle trat auch in Europa und Amerika die Soziale Score Card und Raven H (die chinesische Alexa), um über alle Aktivitäten eines Menschen an Big Brother zu berichten.

Geopolitische Weltkarte der Zukunft

Wenn man nach Lage der Dinge davon ausgehen muss, dass China um die Mitte des 21. Jahrhunderts zur bestimmenden Weltmacht werden wird, so stellt sich die Frage, wie der Rest der Welt aussehen wird. Dem unterstellten Szenario liegt die Prämisse zu Grunde, dass keine Ausweitung des chinesischen Territoriums auf kriegerischem Weg außer eventuell im Südchinesischen Meer erfolgt. Mit anderen Worten: es gibt keinen Weltkrieg. Dies vorausgesetzt, könnte man zu folgendem Bild kommen:

Russland

Russland als Nachbar von China, teilweise getrennt durch Kasachstan und die Mongolei, wird seine Weltmachtansprüche nur schwer durchsetzen können. Wenn kein Wandel in der Ökonomie eintritt, sondern die schlechten Rahmenbedingungen bestehen bleiben, wird Russland an Einfluss verlieren. Die staatliche Allmacht und die einseitige Abhängigkeit von Rohstoffen behindern die Entwicklung zukunftsträchtiger Wirtschaftszweige. Neben dem Rohstoffsektor gibt es nur die aufstrebende Informationstechnologie. Das ungerechte Justizsystem in ausufernder Bürokratie, das korrupte Oligarchensystem und die hohen Auslandsinvestitionen werden zu einem weiteren Abschwung der Volkswirtschaft führen. Der Krieg in der Ukraine wird den Verfall beschleunigen. Verlieren Öl und Gas auch noch Marktanteile durch den Anstieg erneuerbarer Energien, sieht es für Russlands Zukunft schlecht aus. In einer sich verschlechternden Situation und steigender Unzufriedenheit in der Bevölkerung wäre es kein Überraschung, dass China sich verstärkt um die kommunistischen Brüder in der Mongolei, Kasachstan und Russland kümmerte. China als Nachbar der NATO? Eine Unmöglichkeit? Keineswegs.

Nordamerika

USA und der nordamerikanische Kontinent sollten trotz innerer Gespaltenheit genug Kraft haben, die Zukunft weiter stark zu beeinflussen und die Geschichte zu gestalten. Vielleicht werden sie sich mehr auf den amerikanischen Kontinent konzentrieren und dort ihre Vormachtstellung adaptieren.

Europa

Ein friedlicher Verbund von Egoisten, weltpolitisch bedeutungslos, aber in Technologie und Wirtschaft kraftvoll.

Der Rest der Welt

Die Zukunft und die Rolle der südostpazifischen Anrainerstatten dürfte sich nicht wesentlich verändern. Es mag ein Teil stärker in den Einflussbereich Chinas eintauchen. Staaten wie Japan, Australien und Neuseeland werden ihre westlich geprägte Einstellung aber kaum aufgeben.

Eine Unbekannte stellen die Länder der arabischen/islamischen Welt dar. Gelingt es ihnen nicht, zu einem Verbund zusammenzuwachsen, wird sich weder an den Problemen noch am Terrorismus etwas ändern.

Indien? Wird es die Kraft haben, zu einem Big Player zu werden?

Afrika?