
Immer wieder hört man das Argument, es könne im Angesicht der Extremwinter keine Klimaerwärmung geben. Das wäre doch augenscheinlich.
Es stimmt, dass es sowohl in den USA, seltener in Europa, aber im Januar 2023 ganz extrem in Sibirien, China und Japan zu heftigsten Wintereinbrüchen mit großen Mengen an Schnee und besonders tiefen Temperaturen kam.
Tote und Verkehrschaos – Extremwinter friert Nordostasien ein.
Eisige Temperaturen in China: Mit minus 53 Grad verzeichnet die Volksrepublik den tiefsten jemals gemessenen Wert. Auch andere asiatische Länder leiden unter extremer Kälte und Schneestürmen. Mehrere Menschen sterben. Flüge fallen aus, auch der Bahn- und Straßenverkehr ist beeinträchtigt. Zigmillionen Menschen in Nordostasien kämpfen mit klirrender Kälte und Schneestürmen, bei denen in Japan allein fünf Menschen ums Leben kamen.
Quelle: ntv, 26.01.2023
Es ist trotzdem falsch, deswegen die Klimaerwärmung zu negieren.
Klimageschehen
Noch kann die Wissenschaft die Zusammenhänge von Polarwirbel, Jetstream, Erderwärmung, arktischem Eisschild und Sonnenstrahlung nicht vollständig erklären. Aber auf Grundlage umfangreicher Modellrechnungen über das Klimageschehen besteht große Einigkeit darüber, was passiert.
Dazu muss man zunächst das Zusammenwirken von Polarwirbel und Jetstream am Nordpol verstehen.

by Rebecca Lindsey, reviewed by Amy Butler and James Overland, March 5, 2021
Der Polarwirbel (polar vortex) ist im Normalfall ein stabil über dem Nordpol stehendes Windband, das die eisige Kälte in seinem Inneren einkesselt. Je stärker der Wind sich dreht, desto besser wird die Kälte im Inneren gefangen gehalten. Am Fuß des Polarwirbels, ab fünf Meilen über der Erdoberfläche, dreht sich der Jetstream. Er markiert die Grenze zwischen der wärmeren Luft mittlerer Breitengrade und der kälteren Polarluft. Ist der Jetstream stark (wie im Bild links), so trennt er die Kalt- und Warmluft sehr gut voneinander. Das heißt, im hohen Norden ist es (sehr) kalt, während es bei uns erkennbar weniger kalt und in südlichen Breitengraden sehr mild ist.
Der Polarwirbel kann jedoch schwächeln und instabil werden, so dass er sogar zerbricht und den Jetstream mäandern lässt (Bild rechts). Die Folge ist offenkundig: dort, wo der Jetstream nach Süden auslenkt, dringt plötzlich arktische Kälte weit in den Süden vor. Umgekehrt fließt warme Luft aus dem Süden nach Norden dort, wo der Jetstream sich nach Norden wölbt.
Exakt dieses wissenschaftlich belegte Phänomen erleben die Menschen in Sibirien, China und Japan wie oben erwähnt. Es ist eine Anomalie, die der instabile Polarwirbel verursacht.
Instabiler Polarwirbel
Was nun genau den Polarwirbel aus seinem Normalzustand wirft, ist wissenschaftlich noch nicht einwandfrei belegt. Die Ergebnisse aller Untersuchungen führen jedoch zu einer weitgehend übereinstimmenden Meinung.
Der zufolge dürfte die Erderwärmung im Zusammenhang mit der Ausdehnung des arktischen Eisschilds einen entscheidenden Einfluss haben. Je stärker sich die Luftmassen um den Polarwirbel durch die Klimaerwärmung aufheizen, desto instabiler wird der Polarwirbel. Das ist der eine Effekt. Der andere Effekt ist, je größer die arktische Eisfläche, desto mehr reflektiert sie die Sonnenstrahlung und reduziert die Lufterwärmung um den Nordpol. Schmilzt das Eis aber infolge der Klimaerwärmung, so können die eisfrei gewordenen Zonen mehr Sonnenstrahlung absorbieren und die Luft erwärmt sich stärker als üblich, was die Instabilität des Polarwirbels erhöht.
Wie gesagt, das ist wissenschaftlich noch nicht fundiert, aber diese Erklärung ist eine gültige Arbeitshypothese und die Mehrheit der Forscher arbeitet damit.
Klimaerwärmung als Ursache der Extremwinter
Auf dieser Basis wird einsichtig, warum Extremwinter und Klimaerwärmung sich nicht ausschließen, sondern einander bedingen. Die Klimaerwärmung ist es, die (höchstwahrscheinlich) zur Instabilität des Polarwirbels und zum Mäandern des Jetstreams führt. Stimmt dieser wissenschaftliche Ansatz, so werden mit steigender Klimaerwärmung die Extremwinter zunehmen. Sie bringen einerseits eisige Kälte aus der Arktis in mittlere Breitengrade und sie bringen enormen Schneefall mit sich. Die aus dem Norden einströmende Kaltluft trifft nämlich auf sehr viel warme und vor allem feuchte Luft, die aus den durch die Klimaerwärmung aufgeheizten Meeren kommt. Je wärmer die Meere, desto mehr Wasserdampf, desto mehr Niederschlag an der Warm-/Kaltfront.

Ein ganz typisches Beispiel liefern die manches Jahr enormen Schneefälle in Oberkärnten und Osttirol. Das ligurische Meer und die Adria liefern die feuchten Wolken, die an der Alpensüdseite abschneien. Erwärmt sich das Klima weiter, so wird es zu immer häufigeren und stärkeren Schneefällen in dieser Region kommen. Es ist dies somit wieder keine Basis für einen Beweis gegen, sondern für die Klimaerwärmung.
Ergänzend: Hitzewallungen, Uni Graz, von Li, Y., G. Kirchengast, M. Schwärz, and Y. Yuan (2023):
Mini-Eiszeit
Dass Forscher den Eintritt einer Mini-Eiszeit im Laufe dieses Jahrhunderts nicht ausschließen, wirkt sich auf die Klimaerwärmung vermutlich nur unbedeutend aus. Auch dieser Umstand eignet sich somit für Leugner der Klimaerwärmung nicht oder höchst eingeschränkt.
Etliche Forscher gehen davon aus, dass die Sonne im Laufe der nächsten Jahrzehnte in einen weiteren Zyklus verringerter Energieemission eintritt. Das heißt, es wird kälter auf der Erdoberfläche und die Klimaerwärmung wird abgebremst. Aber man schätzt den Effekt in einer Größenordnung von 0,1 bis 0,3°C ein. Das hilft zwar ein wenig im Kampf um das Klima, reicht aber bei Weitem nicht aus, um unsere Haut zu retten (Quelle: Trotz Klima-Erwärmung: Forscher sagen Mini-Eiszeit wie im Mittelalter voraus).
P.S.
Wissenschaftsskepsis erweist sich unter anderem auch als Mischung von Selbstüberschätzung und Ignoranz. Abgelehnt würden Erkenntnisse aus Forschungsgebieten tendenziell vor allem von Menschen mit eher wenig Fachwissen. Starke Einstellungen, sowohl für als auch gegen die Wissenschaft, werden hingegen durch ein starkes Selbstvertrauen in das Wissen über die Wissenschaft untermauert (Quelle, WZ).
Im Übrigen bin ich der Meinung, Sie müssen etwas für den Klimaschutz tun.