Grenzen des Wachstums

zuletzt geändert am 20.04.2024

Es ist erwiesen, dass die Menschen die Grenzen des Wachstums überschritten haben. Seit Jahrzehnten beutet der Mensch die Ressourcen der Erde übermäßig aus. Das Wachstum der Menschheit ist nicht wie bisher fortsetzbar, soll es nicht zu einem Kollaps des Systems Erde kommen. Es geht dabei um weit mehr als „nur“ den Klimawandel, sondern um insgesamt 17 Sustainable Development Goals (SDG).

Club of Rome

Bereits vor 50 Jahren veröffentlichte ein Forscherteam unter Führung von Dennis Meadow das Buch „Die Grenzen des Wachstums“. Darin heißt es:

Die Menschheit und die Natur befinden sich auf Kollisionskurs. Der Mensch fügt der Umwelt und wichtigen Ressourcen durch seine Aktivitäten einschneidende, oft irreversible Schäden zu.“ – „Wir brauchen einen Sinn für die Grenzen und ein Bewusstsein für die Bedeutung der Ressourcen dieser Erde.“ – „Haben Bevölkerung und Wirtschaft erst einmal die physischen Grenzen der Erde überschritten, stehen nur noch zwei Möglichkeiten offen: entweder der unfreiwillige Zusammenbruch oder die kontrollierte Änderung unseres Verhaltens

Quelle: „Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre Update“, Hirzel Verlag

50 Jahre später erschien der neue Bericht unter dem Titel Earth4All, der erneut eine Änderung menschlichen Verhaltens fordert. Die Autoren sehen fünf außerordentliche Kehrtwendungen als notwendig an, um das Wohlergehen der Weltbevölkerung zu sichern. Die Änderungen betreffen: Armut, Ungleichheit, Ermächtigung der Frauen, Ernährung und Energie. Die Kehrtwende im Energiesektor ist der Schlüssel zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und damit zur Bekämpfung der Klimaerwärmung.

Grenzen des Wachstums Beschleunigung
Bild 1: Die große Beschleunigung, Quelle: Earth4All, 4. Auflage 2022, oekom Verlag, Abb. 1.3, Steffen W. et. al. (2015), Seite 28/29

Wie sehr die Menschheit die Ressourcen der Erde überstrapaziert zeigt der ökologische Fußabdruck.

York University Ecological Footprint Initiative

Die Grenze des Wachstums ist definiert als jener Zustand, bei dem das Konsumverhalten der Menschheit gerade noch im Einklang mit der Ressourcenverfügbarkeit der Erde steht. Diese Beziehung wird als ökologischer Fußabdruck dargestellt. Die Menschheit beutet die Biokapazitäten der Erde seit etwa 1970 stärker aus als dies zulässig ist (Bild 2). Die Menschheit bräuchte 1,7 Erden, damit der gegenwärtige Konsum gedeckt werden könnte.

Footprint World
Bild 2: Quelle: York University Ecological Footprint Initiative. National Footprint and Biocapacity Accounts, 2022.

Ecological Footprint

A measure of how much area of biologically productive land and water an individual, population, or activity requires to produce all the resources it consumes and to absorb the waste it generates, using prevailing technology and resource management practices. The Ecological Footprint is usually measured in global hectares. Because trade is global, an individual or country’s Footprint includes land or sea from all over the world. Without further specification, Ecological Footprint generally refers to the Ecological Footprint of consumption. Ecological Footprint is often referred to in short form as Footprint.

https://data.footprintnetwork.org/#/abouttheData

Planetary Boundaries (Grenzen des Wachstums)

Die Überschreitung der Grenzen des Wachstums macht das Resilience Centre der Universität Stockholm an Hand von 9 Kriterien fest:

    1. Klimawandel (CO2-Konzentration in der Atmosphäre)
    2. Ozeanversauerung
    3. Ozonabbau in der Stratosphäre
    4. biogeochemische Flüsse im Stickstoffkreislauf
    5. globale Süßwassernutzung
    6. Landsystemwechsel
    7. Integrität der Biosphäre
    8. chemische Verschmutzung
    9. atmosphärische Aerosolbelastung

Nur der Ozonabbau in der Stratosphäre, die Versauerung der Ozeane und der Süßwasserverbrauch befinden sich noch innerhalb des „safe operating space“ (Bild 3a). Nicht anders sieht das eine Forschungsgruppe um Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen (Bild 3b). In allen anderen Feldern raubt der Mensch der Erde mehr als sie zu liefern vermag.

Grenzen des Wachstums Planetary Boundaries
Bild 3a: Planetary Boundaries, Designed by Azote for Stockholm Resilience Centre, based on analysis in Persson et al 2022 and Steffen et al 2015, CC BY 4.0, Quelle
Grenzen des Wachstums Planetary Boundaries
Bild 3b: Earth beyond six of nine planetary boundaries, by Katherine Richardson, Johan Rockström and other authors, Science Advances,
13. Sep 2023, Vol 9, Issue 37, DOI: 10.1126/sciadv.adh2458

Der Planet Erde ist rund 4,6 Milliarden Jahre alt. Ab dem Kambrium, das vor rund 540 Millionen Jahren begann, haben wir zunehmend Einblick in die Erdgeschichte. Das jüngste geologische System, das Quartär, begann vor rund 2,6 Millionen Jahren und dauert bis heute. In ihm entwickelte sich der Mensch vom Affen zum homo sapiens sapiens. Mit dem Industriezeitalter begann der steigende Eingriff des Menschen in die Natur und ab 1950 der exponentiell wachsende Verbrauch der Erdressourcen. Dadurch hat der Mensch in nur 0,00000044% der gesamten Erdzeit die Welt an den Rand der Verwüstung allen Lebens gebracht.

Agenda 2030

Da die Entwicklung der Menschheit nicht mehr gesichert ist, beschlossen alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen im September 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie verpflichteten sich darin auf die Umsetzung von 17 Zielen (SDG) bis zum Jahr 2030 hinzuarbeiten. Aber leider fehlt die Verpflichtung, diese Ziele vollständig zu erfüllen.

sustainable development goals
Bild 4: SDG indicators: goal by goal, CC BY 4.0, Quelle

Die 17 SDG sind weiter gesteckt als die neun planetary boundaries und der Klimawandel ist nur ein Kriterium aus beiden, aber die Bekämpfung der Klimaerwärmung muss oberste Priorität besitzen, denn extreme Klimaerwärmung lässt die gesamte Welt untergehen.

Das soll nicht heißen, andere Grenzen des Wachstums wären für die Existenz der Menschheit unbedeutend, wie man am Beispiel der Biodiversität (Integrität der Biosphäre) leicht verdeutlichen kann.

Biodiversität

Die Biodiversität beschreibt das gesamte Leben auf der Erde. Das reicht vom winzigsten Bakterium bis zum größten Säugetier oder von der kleinsten Pflanze bis zum Mammutbaum. Aber auch vom Leben im fast vertrockneten Tümpel bis zum Pazifik oder von der Kellerassel bis zum Menschen. Alle Arten, ob Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere oder Menschen, gehören dazu. Biodiversität umfasst auch alle Prozesse, die das Leben auf der Erde ermöglichen und ist das Ergebnis von vier Milliarden Jahren Evolution.

Alle Arten entstanden und entstehen im Laufe dieser Evolution und haben ein Gleichgewicht zwischen ihnen allen entwickelt. Bis vor wenigen hundert Jahren war dieses Gleichgewicht ungestört und bildete ein gesundes Ökosystem. Der Eingriff des Menschen in dieses Ökosystem, vor allem seit dem Zeitalter der Industrialisierung, zerstört das Gleichgewicht. Die Geschwindigkeit der Zerstörung nimmt in einem bisher nicht bekannten Ausmaß zu und droht den Lebensraum für Menschen zu vernichten. Ein einziges Beispiel mag dafür genügen. Vernichtete der Mensch Bestäuber wie Vögel, Bienen und andere Insekten wäre ein Drittel der weltweiten Pflanzenproduktion verloren.

Die Vernichtung jeder Art hat in dem komplexen Gleichgewicht der Evolution Auswirkungen auf abhängige Arten. Im schlimmsten Fall werden beim Aussterben einer Art wie durch einen Dominoeffekt viele Arten mit in den Tod gerissen. Man schätzt, dass derzeit nur rund 20%, das sind rund 1,6 Millionen Arten bekannt sind. 80% sind unbekannt. Man schätzt weiters, dass derzeit rund 1 Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Das heißt, von den bekannten Arten droht der Mensch derzeit fast zwei Drittel auszurotten. Welcher Dominoeffekt dadurch im Bereich der unbekannten Arten ausgelöst wird, ist völlig offen. Die Folgeschäden könnten so groß sein, dass die Menschheit in einigen Jahrzehnten keine Lebensgrundlage mehr auf der Erde besitzt.

Welche Zukunft?

Das heißt, selbst wenn es den Menschen gelingt, eine vernichtende Klimaerwärmung zu verhindern, könnte der Exitus durch Nahrungsmangel eintreten.

Der Mensch spielt demzufolge mit seiner Existenz. Nur wenn er aufwacht und ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität ergreift, wird er noch eine Zukunft haben. Dabei bleibt offen, wie ein künftiges Ökosystem nach den eingetretenen Verlusten in ein neues Gleichgewicht einschwingen wird und kann. Aber dass Biodiversität geschaffen werden kann, zeigt eindrucksvoll der Film „Unsere große kleine Farm“. Mitten in der Dürrelandschaft Kaliforniens schufen Menschen ein kleines Paradies und beweisen: es geht! Leider ist der Film nur als Leihe oder käuflich erwerbbar, aber allemal sehenswert. Der Film zeigt aber auch die Verwundbarkeit, die durch die Klimakrise und die verheerenden Waldbrände in Kalifornien drohen. Alle Mühe um Biodiversität kann durch die Klimakrise im Nu vernichtet werden.

Keine Anerkennung der Wachstumsgrenzen

Kontinuierliches Wachstum des BIP

Auf Grund der bisherigen Entwicklung ist nicht erkennbar, dass die Führer in Politik und Wirtschaft sowie die Gesellschaft bereit sind, ausreichende Maßnahmen zu setzen. Das Dogma des wachsenmüssenden Bruttoinlandsprodukts zeigt es. Während des letzten Vierteljahrhunderts, in dem es längst klar war, wie es um die Ressourcen der Erde bestellt ist, kennt der Wachstumstrend bis auf Einbrüche durch Katastrophen nur einen Weg: nach oben, immer mehr. Das einzig Positive dabei ist, dass der CO2-Ausstoß in der Vergangenheit nicht mehr im selben Maß stieg (siehe Grafiken im folgenden Artikel des Standards und im eigenen Artikel CO2-Ausstoß).

Das Dilemma zwischen Wirtschaftswachstum und Klimaerwärmung beleuchtet DerStandard in einem Artikel „Das Wirtschaftswachstum muss grün werden – aber geht das denn?“ sehr gut. Der Artikel beantwortet die Frage aber nicht, ob es geht. Dabei gäbe es ein paar Lösungen, ohne nur auf das Prinzip Hoffnung verweisen zu müssen. Eine davon zeigt auch der Artikel des Standards, nämlich die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien und auf eine geschlossene Kreislaufwirtschaft. Eine weitere Lösung besteht in der Veränderung der Wertvorstellungen der Menschen. Was, wenn Naherholung attraktiver wäre als Fernreisen, zur Miete wohnen als Eigentum, Zug statt Auto fahren, usw. Hier läge die Verantwortung der Politik, in dem sie Wertvorstellungen beeinflusst (manipuliert wird doch ohnehin schon die ganze Zeit) und attraktive Angebote schafft!

Das Problem in allen Fällen: die Klimaerwärmung wartet nicht, bis die Politik und die Menschen die notwendigen Lösungen erreichen.

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