zuletzt geändert am 28.02.2024

Putin entschied sich Anfang 2022, Russland in den Krieg zu schicken und die Ukraine zu überfallen. Wieder einmal, so könnte man sagen, denn die Geschichte der Ukraine war bis in die Gegenwart geprägt von Besatzungen und Fremdherrschaft.

Ukraine

Anteil der ethnischen Ukrainer an der Gesamtbevölkerung in den Regionen der Ukraine vor dem Ukrainkrieg.
Anteil der ethnischen Ukrainer an der Gesamtbevölkerung in den Regionen (2001), Quelle, by Alex Tora, CC 3.0

Im Laufe der Jahrhunderte sah das Land Skythen, Sarmaten, Goten, Hunnen, Anten, Ulitschen, Tiwerzen, Magyaren und das Königreich Bulgarien, ehe mit dem Reich der Kiewer Rus erstmals eine homogenere Bevölkerung entstand und 1187 der Begriff Ukraina auftauchte. Es folgten ungeachtet dessen Petschenegen, Kumanen, Galizien, Schytomyr, Moldawien, die Nogaier, die Goldene Horde, Polen-Litauen, die Osmanen und der Moskauer Rus. Das wachsende Russland verdrängte Polen-Litauen, die Osmanen und das Kosakenhetmanat. Dann teilte sich Russland die Ukraine mit Österreich bis nach dem Ersten Weltkrieg die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik entstand. Sie brachte Millionen von Ukrainern den Tod durch stalinistischen Terror und durch den Zweiten Weltkrieg.

Ein ukrainische Nationalbewusstsein entstand zwar im 19. Jahrhundert wie fast überall in Europa, führte aber nicht zur Eigenstaatlichkeit. Erst 1991 konnte die Ukraine ihren eigenen Staat gründen, in dem fast 80% Ukrainer mit etwas weniger als 20% Russen zusammen lebten. Von Ressentiments zwischen den beiden Ethnien war kaum die Rede, ehe Putin über das Land herfiel, um es seinem russischen Reich einzuverleiben. Was er dabei übersah, war der Wille der Ukrainer, heftigsten Widerstand zu leisten, weil sie als Teil der Europäischen Union in Freiheit leben wollen.

Putin

Putin wuchs in St. Petersburg in einer Arbeiterfamilie unter ärmlichen Verhältnissen auf. Kräftige Prügeleien im Hof der Wohnbauten waren an der Tagesordnung und sollen seinen Wunsch, in den KGB einzutreten, zunächst vereitelt haben. Putin ertüchtigte sich in Kampfsportarten und zeigte sich gern als Judokämpfer und als heldenhafter Bezwinger. Putin war verheiratet, hat Kinder, zeigt sich aber nie mit Frauen oder Familie. Vielleicht hat Putin Angst, sie könnten seinen Heldenmythos verwässern und ihn zu weichlich erscheinen lassen. Es gibt viele Meinungsbilder, die in der schwierigen Kindheit des schmächtigen Jungen eine Prägung für sein Leben und die Wurzeln seines Machismus sehen. Putin setzt offenbar alles daran seinen Minderwertigkeitskomplex zu eliminieren.

Putins Erscheinungsbild

Man muss nicht erst Psychologie und Verhaltensforschung studiert haben, um aus den Fernsehbildern die Gestalt eines eitlen, narzisstischen und pfauenhaften Menschen zu erkennen. Allein das Bild des kleinen Männchens beim Einsteigen in seine überdimensionale Staatslimousine oder der Anblick seiner Villa am Schwarzen Meer legen Putins Psyche offen. Für Putin kann nichts groß genug sein! Die ungelenke und gestelzte Bewegung seines Auftritts bei öffentlichen Staatsereignissen lässt unmittelbare Rückschlüsse auf sein Wesen zu.

Die Degradierung seiner Entourage und des gesamten politischen Umfelds durch ihn sprechen Bände über sein Machtverständnis. Stanislaw Belkowski, Mitglied in Putins Menschenrechtsrat, sagte: „Es gibt in der Psychiatrie ja das Phänomen des Caesaren-Wahns. Das heißt: Wenn man über viele Jahre keinen Widerstand spürt, dann glaubt man, nie wieder welchen zu erleben.“ Exakt diese Bilder liefert Putin im Fernsehen, seinen Ansprachen und im Treffen mit westlichen Politikern und bei jedem erdenklichen Akt. Das Motto ist eindeutig: „Seht her, ich bin der Größte!“.

Ob Putin dabei ein taktisch versierter und zielorientierter Machthaber ist, der mit seinen Mitteln erfolgreich ist, spielt bei der Betrachtung seiner Psyche keine Rolle. Es geht an dieser Stelle nicht darum, sein politisches Können oder eventuelle Schwächen zu beleuchten. Es geht ausschließlich um das Begreifen seines ihm eigenen Machttriebs. Und dieser ist so gigantisch und ausufernd, dass neben Putin nichts Platz hat. Putin, so darf man ohne Zweifel feststellen, ist ein Machtwahnsinniger, der alle Grenzen hinter sich gelassen und jeden Maßstab für Ausgleich verloren hat. Das hätte westliche Diplomatie eigentlich begreifen können und müssen!

Putins Machtbesessenheit

Ukrainekrieg, Rückkehr zur Sowjetunion?
(1): Russland, damals Sowjetunion, in den Grenzen bis 1989, von Andreas Kunz, Ph.D., und Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Quelle, Rechte und Nutzung

Putin sehnt sich möglicherweise nicht nach der Zarenzeit, wie wohl der Pomp seines Regierungssitzes stark daran erinnert. Sicher möchte Putin nicht mit dem (wahnsinnigen?) Zaren von Russland, Iwan IV., der Schreckliche, gleichgestellt sein. Ziemlich sicher ist aber, dass Putin von der „wahnsinnigen Idee“ der Wiedererrichtung eines sowjetischen Reichs (Bild 1) träumt, das nicht nur die Staaten im Südwesten der Sowjetunion, sondern tunlichst auch die nach dem 2. Weltkrieg in Mitteleuropa besetzten Gebiete wieder umfassen sollte.

Putin begann den Ukrainekrieg mit einer hybriden Kriegsführung von der es hieß: „Die eigenen Absichten verschleiern, die Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischen, militärischen und politischen Druck mit Desinformation kombinieren.“ Das war vor Kriegsbeginn als viele westliche Politiker nicht glauben wollten, dass es dazu kommen könne. Putin hielt mit dieser Strategie die Welt zum Narren und die Welt folgte ihm willig. Er zog an den Fäden, die westlichen Marionetten tanzten und die Medien folgten dem hybriden Irrsinn stets neuer Wechselbäder.

Der Ukrainekrieg beginnt

Putins Truppen überfielen am 22.02.2022 die Ukraine und meinten, das Land in einem Handstreich unterwerfen zu können, was sich recht schnell als folgenschwerer Irrtum herausstellte. Denn der russische Angriff konnte im Norden der Ukraine vollständig abgefangen werden, während im Osten und Süden der Ukraine große Teile des Landes erobert wurden (Bild 2).

Gelingen konnte dies nur auf Grund der zögerlichen Haltung des Westens, die Ukraine mit ausreichend Waffen zu versorgen. Bis in den Sommer 2022 war es deswegen nicht ausgeschlossen, dass Putins Truppen im Ukrainekrieg bis an die Moldawische Grenze vorstoßen könnten (Bild 3). Nachdem sich die westlichen Staaten aber zu starken Waffenlieferungen bereit gefunden hatten, kam der Vorstoß der russischen Truppen in einem Stellungskrieg zum Erliegen.

Wie endet der Ukrainekrieg?

Wie der Krieg tatsächlich zu Ende gehen wird, kann niemand vorhersagen. Fast auszuschließen ist, dass Russland durch eine neue Offensive weitere Gebietsgewinne erzielen kann. Ebenso ist die umgekehrte Variante wenig wahrscheinlich, dass die Ukraine die verlorenen Gebiete zurückerobern kann. Am wahrscheinlichsten ist, dass der Krieg zum Erliegen kommt und sich die Truppen einigeln. Aber auch dieser Zustand müsste eines (frühen) Tages aufgelöst werden und könnte nicht der status quo über Jahrzehnte bleiben.

Es gibt eigentlich nur eine logisch valide Option zur Auflösung der Kriegssituation, falls es der Ukraine nicht gelingt, ihre Gebiete zurückzuerobern. Es ist wie immer ein Deal. Der südöstliche Teil der Ukraine, der sowohl ethnisch als auch historisch stets russischer war als der Rest des Landes, wird dem Osten zugeschlagen werden. Putin könnte somit die Eroberung der Gebiete als großen Erfolg in seiner Diktatur verkaufen. Die Ukraine verzichtet trotz elementaren Widerspruchs auf die besetzten Gebiete und wird dafür Vollmitglied der EU und der Nato und der Westen sorgt für den vollständigen Wiederaufbau im Rahmen eines ukrainischen Marshallplans. Für die Ukrainer ist es der einzige Weg, ihre demokratische Zukunft zu sichern. Lieber kleiner und frei als größer unter erneuter Fremdherrschaft. Dass die Ukraine vor solch einem Deal alles daran setzten wird, im weiteren Kriegsverlauf noch möglichst viel Geländegewinn zu erzielen, muss wohl nicht betont werden.

Wie immer der Ukrainekrieg tatsächlich enden wird, so ist relativ sicher, dass China zum neuen Nachbarn der EU werden wird, weil sein Einfluss auf Russland dominant werden wird.


zu Gefahren für die Demokratie