Am Handy abgezockt

zuletzt geändert am 18.05.2025

Das Handy und die Sozialen Medien werden zunehmend zum Tummelplatz von Betrügern und Gaunern, die auf raffinierte Art Anleger mit hohen Gewinnversprechen hereinlegen. Platzt der Traum, heißt es: Ich bin selbst Schuld, weil ich nicht aufgepasst habe *** bin drauf reingefallen und habe 30.000 Euro verloren *** habe einen Haufen Geld verloren *** ich war leider auch dabei *** usw. Das darf nicht passieren, das muss nicht passieren, wenn man weiß, wie das System des Abzockens in Sozialen Medien funktioniert.

Unter dem Titel „Aktienempfehlungen in WhatsApp-Gruppen – die BaFin rät zur Vorsicht“ warnte die BaFin erstmalig am 28.03.2025 vor Kapitalanlagen in die Aktien der Canaan Inc, der Springview Holding, der Health in Tech Inc, der Lichen China Ltd, der Iczoom Group Inc, der Chanson International Holding und der Golden Heaven Group Holdings Ltd. Nicht genannt, aber auch hinzuzurechnen sind: Brag House Holdings Inc, China Liberal Education Holdings sowie Meiwu Technology Company Ltd. Die Website von „kaschmaeh.net“ berichtete am 05.04.2025 über Pump and Dump in WhatsApp. Die Polizei Kempten veröffentlichte am 02.05.2025 eine Warnung vor betrügerischen „Pump and Dump“-Chatforen. Bis auf die Warnung der BaFin kam alles zu spät. Aber auch die Warnung der BaFin erschien nur drei Tage vor den letzten Dumps am 31.03.2026. Die Dumps liefen am 10. Okt., 5. Dez., 17. Dez. 2024, 13. Jan., 22. Jan., 11. März und 31. März 2025 innerhalb weniger Stunden ab, so dass ihnen kaum ein Anleger entgehen konnte.

Bei einem Dump werden innerhalb kürzester Zeit massenweise Aktien verkauft, so dass der Kurs blitzartig einbricht.

Alle Dumps waren der Endpunkt von Finanzgeschäften in Chatgruppen Sozialer Medien. Was geschah?

Anfangsphase

Es ist nicht wichtig, ob die Verlockungen besonders auf WhatsApp oder Instagram erfolgen, denn prinzipiell ist ein Medium so gut geeignet wie das andere. Ausschlaggebend ist für die Betrüger das Medium, in dem sie ein möglichst breites Publikum ansprechen und verführen können.

Die Verführung beginnt im Posteingang Deiner App mit dem Erhalt von Werbung, die großartige Gewinnchancen offeriert, „wie sie schon so viele vor Dir erlebt haben. Du musst nur zugreifen und Du kannst richtig reich werden“. Das erzählen Dir Personen, die aus dem Fernsehen und anderen Medien bekannt sind, die sich als Experten ausgeben und Dir Vertrauen einflößen. „Komm, schließ Dich uns an und Du kannst große Gewinne erzielen!“

Kaum dass Du Dich angeschlossen hast, werden Dir viele Angebote gemacht, wie Du Dich schulen lassen kannst, um selbst ein Börsenprofi zu werden, Du erhältst kostenlose Börsennachrichten und es wird Dir umfassende Beratung zugesagt. Kurzum, Du sollst Dich wohlfühlen. Dazu tragen Gruppenchats, freundliche Beratungen und der Kontakt mit anderen Mitgliedern in der Gruppe bei, so dass ein Wir-Gefühl entsteht, bei dem Du Dich als den Gewinnern zugehörig empfindest.

Dann folgen erste Einladungen, Dein Geld da und dort anzulegen, immer verbunden mit den großartigsten Gewinnaussichten und oft genug verbunden mit subtilen Stressfaktoren, schnell zu handeln, um ja nicht die große Chance zu versäumen. Das ganze Repertoire gruppendynamischer Prozesse wird genutzt, um das eine Ziel zu erreichen, dass Du anlegst und dass Du möglichst viel anlegst. Dazu wird Dir immer erzählt, welche großen Summen andere angelegt haben, um Dich zu pushen. Am Anfang hast Du mit Deinen Geldanlagen Erfolg. Du kaufst und Du verkaufst und siehst wie Dein Kapital sich vergrößert, bist überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, erfährst von anderen Gruppenmitgliedern von deren Erfolg und wähnst Dich im Paradies. Und immer wirst Du begleitet von den Stimulantien des Chatmasters, seiner Assistentinnen und der Berater, wann zu kaufen oder wann zu verkaufen sei, und denkst, welch großartiger Service wird Dir geboten.

Endphase

Irgendwann kommt es aber auch zu Verlusten. Auch hierbei wird Dir Rat und Hilfe gegeben, es wird erklärt, warum der Markt sich momentan verschlechtert hat und dass das nichts zu bedeuten hat, weil solche Rücksetzer ganz üblich sind und rasch wieder ausgeglichen werden. Ja, es gibt sogar Fälle, in denen Verluste erstattet werden, um Dir das Gefühl höchster Sicherheit zu geben. So führen Verluste höchstens zu einem kurzen Angstgefühl und lassen sie zur Gewohnheit werden. Schon nach kurzer Zeit sitzt Du wieder in der Kursrakete und Deine Gewinne wachsen ebenso wie Deine Bereitschaft, auch größere Beträge einzusetzen, um größere Gewinne zu machen.

In dieser vollen Fahrt kommt das Angebot auf Dich und alle Gruppenmitglieder zu, dass jetzt der Zeitpunkt für die ultimative Chance aufs große Geld gekommen sei und Du Dich jetzt entscheiden solltest, noch einmal tief in die Tasche zu greifen und den großen Wurf zu machen.

Dem zu folgen, ist aber leider in der Regel der große Wurf in den tiefen Absturz. Dein Chatmaster hat alles darauf hin organisiert, dass Deine Anlagebereitschaft wie beim Bau einer Pyramide kontinuierlich wächst, um an deren Spitze zum Halali zu blasen. Ist dieses Geld von Dir und den vielen anderen angelegt worden und der Kurs Deiner Aktie auf eine neue Spitze hochgestoßen, erfolgt das Inkasso, der Dump durch den Chatmaster, der sich plötzlich als Betrüger entpuppt.

Show Down – abgezockt

Was passiert? Der Chatmaster, sein Gefolge (die Assistentinnen und Berater) und die Hintermänner haben schon vor Start der Aktion in den Sozialen Medien sich mit billigen Aktien eingedeckt. Dazu muss man wissen, dass Firmen dieser Art Aktien „ohne Wert“ ausgeben können, das heißt, sie können – sogar unbegrenzt – Aktien zum Wert von 0,01 Euro ausgeben. Schon während der ganzen Zeit, in der Du Dein Geld angelegt hattest und Aktien kauftest, verkauften sie Dir ihre Aktien und machten schon während dieser Zeit satte Gewinne aus dem Verkauf ihrer 0,01-Euro Aktien gegen Deinen Kaufpreis von z.B. drei Euro. Nun aber, im Augenblick des Show Downs, werfen sie alle ihre restlichen Billigaktien zum Verkauf auf den Markt, der vollgepumpt war mit den letzten Kauforders aller Gruppenmitglieder. Die extrem hohe Verkaufszahl an Aktien und ihr Verkauf in kürzester Zeit ist der Anlass, dass der Kurs schlagartig zusammenbricht. Es gilt da simple Handelsprinzip: der Kurs steigt, wenn viel gekauft wird, der Kurs fällt, wenn viel verkauft wird. Im Augenblick des Show Downs fließt alles Geld der Anleger in die Taschen der Betrüger. Dieser Abverkauf hat nichts – wie vielfach gesagt wird – mit Leerverkäufen zu tun. Dieser Prozess geschieht auch ohne einen einzigen Leerverkauf. Richtig ist allerdings, dass im Fall eines Kurszusammenbruchs Drittparteien auf den Zug aufspringen, ebenfalls verkaufen und den Sturz in den Abgrund beschleunigen. Zu Drittparteien können dann auch Leerverkäufer zählen, die auf den fallenden Kurs spekulieren.

Allen Anlegern, die an den o.g. Tagen in o.g. Aktien veranlagt waren, ist eben dies passiert.

Was nach dem Show Down passiert, ist der Katzenjammer, sind die verzweifelten Hilferufe an den Chatmaster, der – wenn er noch erreichbar ist und sich nicht schon auf die Bermudas abgesetzt hat – in das Jammern einstimmt. Er verweist auf die bösen Leerverkäufer, die den Kurs kaputt gemacht hätten und beschwört Dich, alles wird wieder gut, Du müsstest nur Geduld haben, denn der Kurs erholte sich schon wieder.

Aber nein, der Kurs erholt sich im Regelfall nie! Das zeigen die folgenden Charts, beginnend mit den jüngsten Dumps und endend mit den weiter zurückliegenden.

Kursentwicklung nach einem Dump

Im Regelfall tauchen die Betrüger nach dem Inkasso ab, lassen ausführlich Gras über die Geschichte wachsen, ehe sie andernorts wieder von Neuem beginnen. Jede Erwartung auf wieder steigenden Kurs, ist im Regelfall eine falsche Erwartung. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, dass mit derselben Aktie der Betrug aufs Neue beginnt. Darauf kann man nicht setzen! Es ist viel, viel wahrscheinlicher, dass der Aktienkurs gegen null geht und die Aktie eines Tages aus dem Markt genommen wird.

Bei den o.g. Aktien liegt der Fall allerdings ein wenig anders. Börsen wie die Nasdaq oder die Nyse, an denen o.g. Aktien gehandelt werden, so wie praktisch alle großen Börsen verlangen, dass der Kurs einer Aktie eine bestimmte Grenze nicht unterschreiten darf, soll die Aktie an der Börse weiter gehandelt werden. Das zwingt die Emittenten zu reverse splits, indem für eine bestimmt Anzahl von alten Aktie eine einzige neue Aktie ausgegeben wird. Einige der o.g. Aktien haben einen solchen reverse split durchgeführt und signalisieren damit, wir wollen unsere Aktie an der Börse halten. Warum? Eventuell, um nach längerer Zeit doch eine Wiederholung des Abzockens zu betreiben? So war das bei Golden Heaven und Meiwu der Fall. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass der Aktienkurs bei nachfolgenden Dumps immer (deutlich) unter dem vorangegangener liegt. Auch deswegen lohnt es sich nicht, auf Verlusten auszuharren und auf steigende Kurse zu warten.

Schaden und Schadensersatz

Aus einem Forum stammt die Aussage, „es geht um einen Verlust von 58.000 €. Ich habe weitere Geschädigte ausfindig gemacht bei denen es auch um 500.000 € geht.“ Sichtet man die Foren, so wird deutlich, dass es um sehr viel Geld geht, das die Betrüger Anlegern abgenommen haben. Und man kann aus einem Dump durchaus eine näherungsweise Schätzung ableiten, um die Größenordnung des angerichteten Schadens festzustellen. Der beläuft sich vermutlich für alle Aktien auf über eine Milliarde USD.

So bitter und inakzeptabel es auch sein mag, die Wahrheit ist: es gibt keine Wiedergutmachung. Weder Polizei, RA-Kanzleien, Staatsanwaltschaften, öffentlichen Medien, o.a.m. führen zu einem Schadensersatz.

Es ist schon eine Ausnahme, dass die Polizei Kempten sich eines Betrugsfalls angenommen hat. Es ist kaum zu erwarten, dass es zu einer Ausforschung kommt und es ist noch weniger zu erwarten, dass eine Klage erhoben wird und es ist so gut wie ausgeschlossen, dass es zu einer Verurteilung samt Schadensersatz käme. Es mögen sich Rechtsanwaltskanzleien – gleich ob in Form einer Sammelklage oder einer Einzelklage – eines Betrugsfalls annehmen, auch diese Causa wird erfolglos bleiben. Es mögen Medien sich des Falls annehmen, allein mehr als öffentliche Aufmerksamkeit werden sie nicht erregen. Es sei beispielhaft der Beitrag aus einem Forum zitiert: Nach meiner Anzeige und dem Gespräch mit der Staatsanwaltschaft wurde mir nur gesagt „Machen sie sich keine Hoffnung“.

Die Gründe sind vielfältig und reichen von Desinteresse der Politik, Aufsichtsorganen und Strafverfolgungsbehörden über mangelnde Beweislagen, über juristische Grauzonen, über physische und juristische Nichtfassbarkeit der Täter, über Auslieferungsprobleme bis hin zu Freispruch mangels Beweisen in letzter Instanz. Geld in juristische Verfahren zu investieren, heißt zusätzliches Geld zu verlieren.

Daher geht es zwingend darum, sich vor Pump and Dump zu schützen und nicht auf Verlockungen hereinzufallen.

Schutz vor Pump and Dump

siehe auch BaFin: Geldanlage: So erkennen Sie unseriöse Angebote

Anleger dürfen in Sozialen Medien unter keinen Umständen:

  • unaufgeforderten Nachrichten folgen, die Sie in exklusive private Gruppen locken, weil dort große Gewinne warten
  • Anlagetipps in Sozialen Medien von Personen annehmen, die Sie nicht persönlich kennen
  • Anleitungen folgen, Konten zu eröffnen und bestimmte Aktien zu kaufen
  • an hohe und sehr hohe Gewinnversprechungen glauben
  • mitmachen, weil andere Gruppenmitglieder es ja auch tun (kein me too!)
  • in keinem Fall leichtgläubig sein.

Am sichersten ist es, man hält sich von solchen Sozialen Medien fern!